24 März 2005

"Vorwärts gerichtete Verteidigung"

Pentagon veröffentlicht neue Nationale Verteidigungsstrategie
- eine Analyse von Georg Schöfbänker

Ende vergangener Woche wurde vom Pentagon die neue Nationale Verteidigungsstrategie (NVS) veröffentlicht. Sie soll die Transformation der Streitkräfte im Kampf gegen "den globalen Terrorismus" beschleunigen. Aus dem öffentlichen und geheimen Teil, aus dem das Wall Street Journal am 11. 3.05 zitierte, geht hervor, dass es sich um eine weitere Präzisierung der Nationalen Sicherheitsstrategie der Regierung Bush vom September 2002 handelt. Schon darin wurden militärische Präventiv-Schläge und -Kriege im Zug des diffusen "Krieges gegen den Terrorismus" zur Doktrin erhoben. Diese Absicht wird fortgeschrieben.

Gleichzeitig stellt die NVS einen Meilenstein bei den alle vier Jahre anstehenden Streitkräfteplanungen dar, die im Frühjahr 2006 finalisiert werden sollen. "Terrorismus" wird dabei in einem Atemzug mit Völkerrecht genannt, indem es heißt, dieses stelle eine Strategie der "Schwachen" dar, die USA durch internationale Foren und juristische Prozesse herauszufordern.
Der "globale Kampf gegen den Terrorismus" ist als ein jahrzehntelanges Unternehmen angelegt, das den Kampf gegen den Kommunismus ersetzt und eine manichäische Weltsicht impliziert: Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns. Selbst die Zusammenarbeit mit den engsten Verbündeten wird nicht als dauerhaft gesichert angenommen.

Das Ziel ist die "Zerstörung" und "Vernichtung" des Feindes, seiner Ruheräume und seiner Ressourcen. So kann schnell ein Staat, der nicht fähig ist, sein Territorium zu schützen, zum militärischen Aufmarschgebiet der USA werden. Präventivschläge werden als "vorwärtsgerichtete Verteidigung" verharmlost. Die Bedrohungsbilder werden in "traditionelle", "irreguläre", "katastrophale" (Massenvernichtungswaffen etwa in den Händen von Jihadisten) und "disruptive" (neue Technologien kombiniert mit neuen Strategien) ausdifferenziert. Um katastrophale Angriffe zu vermeiden, sollten diese gefährlichsten Bedrohungen "frühzeitig und in sicherer Entfernung zerstört werden".

Folgende Verwundbarkeiten der Jihadisten sollen bekämpft werden: die ideologische Unterstützung, die Führung, das "Fußvolk", Ruheräume, Trainingscamps, Waffen, Kapital, Informations- und Kommunikationsmittel sowie der Zugang zu Angriffszielen. Dass etwa im Irakkrieg genau das Gegenteil passierte – die Jihadisten wurden erst durch diesen Krieg angezogen – findet freilich keine Erwähnung.

Eine Debatte über Präventivkriege findet ebenso wenig statt. Eine Beweisführung über den tatsächlichen Besitz von Massenvernichtungswaffen ist nicht nötig, ein konstruierter Verdacht genügt.

In dem geheimen Anhang wird auch die Notwendigkeit einer globalen militärischen Hegemonie gegenüber Russland und China verlangt, was ja aus den frühen Strategiedokumenten der Neocons bekannt ist. Die Militärausgaben sind seit Amtsantritt Bushs 2001 um 50 Prozent gestiegen und betragen 2006 419 Mrd. Dollar zuzüglich 82 Mrd. Dollar für den Irakkrieg. (DER STANDARD, Print, 24.3.2005)

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