21 August 2006

Neues Umrühren im Pulverfass

Sollte eine Militäroperation der USA gegen Iran schon längst beschlossene Sache sein, so erscheint der Libanon-Krieg in einem gänzlich anderen Licht.

GASTKOMMENTAR VON GEORG SCHÖFBÄNKER (Die Presse, Printausgabe, 21.August 2006)

Wesley Clark, früherer Nato-Oberbefehlshaber in Europa, berichtet in seinem Buch Winning Modern Wars eine Episode aus dem Pentagon im November 2001. Gerade zwei Monate nach 9/11 seien Kriegspläne nicht nur gegen Irak in Ausarbeitung gewesen. Vielmehr würde eine fünfjährige Kampagne geplant, die insgesamt sieben Staaten umfasse. Zuerst Irak, dann Syrien, Libanon, Libyen, Iran, Somalia und Sudan. Es passt ins Bild, wenn Seymour Hersh im letzten New Yorker berichtet, dass erstens die israelischen Luftoperationen gegen die Hisbollah eng mit dem US-Militär koordiniert waren und zweitens die ganze Operation auch als Probelauf einer Bombardierung der iranischen Nuklearanlagen gedacht war.

Die geostrategische Neuordnungspolitik der USA und Israels im "Erweiterten Nahen Osten" fand somit im Libanon Krieg ihre Fortsetzungen. Der Anlass zur Eskalation war mehr oder weniger beliebig. Beide Seiten waren darauf vorbereitet. Die Operation der Hamas und Hisbollah (Entführungen) waren koordiniert. Sie sollten Israel provozieren. Die Hisbollah ahnte, wie die Reaktion aussehen würde. Damit haben die Militärs und Hardliner auf beiden Seiten wieder die Initiative und das Definitionsmonopol über die Politik gewonnen. Der Nahost-Friedensprozess scheint damit mittelfristig tot zu sein.

Irans imperiales Gehabe, sein Nuklearprogramm und seine Kriegs- und Vernichtungsrhetorik gegenüber Israel und seine Feindseligkeit gegenüber den säkularen westlichen Werten im Allgemeinen führt zu einem weitern Zündeln an diesem Pulverfass. Handelte es sich beim Libanon-Krieg vordergründig um einen lokalen Konflikt zwischen einem unter dauerhaften Raketenbeschuss geratenem Israel und einer paramilitärischen Armee in einem Zwergstaat, so ging es im Kern für beide Konfliktparteien auch um eine dauerhafte strategische Kräfteverschiebung.

Israel konnte dieses Ziel nicht erreichen. Politisch gingen die Hisbollah und somit Iran gestärkt aus diesem Krieg hervor. Das Ziel bestand darin, den Libanon als Geisel für die Offensive Israels zu nehmen, und unter Beweis zu stellen als einzige "Widerstandsbewegung" im arabischen Raum, Israel die Stirn bieten zu können. Und somit eine Solidarisierung zu erzeugen, indem den israelischen Streitkräften der Nimbus den Unbesiegbarkeit genommen wird. Das wurde voll und ganz erreicht. Nasran Hasrallah ist auf dem besten Weg, zum Popstar der arabischen Straße zu werden. Auch militärisch hat die Hisbollah auf der ganzen Linie gewonnen. Ihr Raketenarsenal wurde nicht zerstört, trotz mehr als 4500 getroffener Ziele im Libanon.

In der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA vom März 2006 wurde nicht nur Iran zur größten Sicherheitsbedrohung für die USA überhaupt stilisiert, sondern auch ein realpolitisches Motivgemenge, jenseits des Nuklearprogramms genannt: "So wichtig die Atom-Frage ist, die USA haben größere Anliegen betreffend den Iran. Das iranische Regime unterstützt Terrorismus; bedroht Israel; versucht, den Frieden in Nahost zu hintertreiben; zerstört die Demokratie im Irak; und verleugnet das Streben seines Volkes nach Freiheit. Die Atom-Frage und unsere anderen Anliegen können endgültig aus der Welt geschafft werden, wenn das iranische Regime die strategische Entscheidung trifft, seine Politik zu ändern, sein politisches System zu öffnen und seinem Volk Freiheit gewährt. Das ist das ultimative Ziel der US-Politik."

Also, die USA haben breitere Interessen. Die gleichen Argumente fanden sich vor dem Irak-Krieg. Auch in der "vorsichtigen" strategischen Sprache von solchen Dokumenten kann man es nicht deutlicher ausdrücken. Es geht nur vordergründig um das iranische Nuklearprogramm. Es geht im Kern um die Beseitigung des Regimes und um die militärische und strategische Kontrolle der Region.

In den letzten Wochen sind die schon totgesagten Necons wieder aus ihrer publizistischen Deckung aufgetaucht. Das Spektrum der Forderungen an die Bush-Regierung reicht von einem "Regime-Wechsel" in Syrien und Iran bis hin zu baldigen Luftangriffen gegen das iranische Nuklearprogramm. "It's Our War" schreibt William Kristol im Weekly Standard und fordert einen Regime-Wechsel in Syrien und Iran ein, ebenso ein baldiges militärisches Vorgehen gegenüber Iran. In die gleiche Kerbe schlägt Richard Perle in der Washington Post. Die Kriegstrommeln für einen US-Angriff gegenüber Iran werden merklich lauter. Am 31. August läuft das Ultimatum des UN-Sicherheitsrates ab, wonach Iran bis dahin jedwede Urananreichung einzustellen habe. Anderenfalls sind Sanktionen nach Art. 41, UN-Charta vorgesehen.

Sollte eine Militäroperation der USA gegen Iran längst beschlossene Sache sein, so wie dies ja auch im Fall des Irak-Krieges im Nachhinein deutlich wurde, so erscheint der Libanon-Krieg in einem gänzlich anderen Licht. Die militärische Zerschlagung der Hisbollah wäre eine vorteilhafte Beseitigung eines Risikos gewesen, das Teheran als strategische Eskalation zur Verfügung gestanden hätte. Ob die militärische Lektion des Libanon-Krieges in Washington Eindruck machen wird, darf bezweifelt werden. Dort kursiert die Einschätzung, dass Bush bald eine singuläre binäre Entscheidung vorgelegt werden wird: Einen Luftangriff auf Irans Nuklearanlagen zu autorisieren oder gar nicht zu handeln.

Dr. Georg Schöfbänker ist Politikwissenschafter und betreibt das Österreichische Informationsbüro für Sicherheitspolitik und Rüstungskontrolle in Linz.

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